Edelgard Spiegelberg geht in den Ruhestand

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„Als ich im November 1985 bei der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen als Assistentin des Geschäftsführenden Pfarrers meine Tätigkeit begann, dachte ich: Was für eine tolle Chance, so viele unterschiedlichen Arbeitsfelder kennenzulernen und an der Weiterentwicklung mitzuwirken“, erinnert sich Edelgard Spiegelberg an ihre Anfänge zurück. Im Januar 1988 übernahm sie die Leitung des FRAUENHEIM WENGERN. Nun wird sie Ende Juni 2023 in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

1988 war das FRAUENHEIM WENGERN eine Komplexeinrichtung, die den Standort „Am Böllberg“ in Wetter-Wengern hatte und aus einem Heim für Frauen mit Behinderung bestand. 140 Menschen lebten damals dort. In den dazugehörigen Regiebetrieben, den Vorläufern der Bereiche einer Werkstatt, waren versicherungspflichtige Arbeitsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Hauswirtschaft vorhanden. Finanziert wurde das Wohnen aus einem Mix aus Obdachlosenhilfe, Jugendhilfe, geschlossener Unterbringung, Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe. Die damals 32jährige hatte damit Personal- und Finanzverantwortung in hohem Maße. „Heute ist das FRAUENHEIM WENGERN ein mittelständiges Unternehmen, das Dienstleistungen für ca. 220 Menschen mit Unterstützungsbedarf auf dem Boden der UN-BRK und des Evangeliums Jesu Christi anbietet“, fasst die Juristin die Weiterentwicklung zusammen.

In der Eingliederungshilfe wurden die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen immer wieder verändert. „Die größten Einschnitte in meiner Zeit waren zum einen aus den Regiebetrieben die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) zu formen, zum anderen in die Sozialräume zu gehen und ambulante Dienste aufzubauen, aus der Mix-Finanzierung umzusteigen in die der Eingliederungshilfe. Und nicht zuletzt seit 1.1.2020 die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.“ Dabei war und ist sich Edelgard Spiegelberg über die 35 Jahre immer bewusst gewesen, dass die Einrichtungen und Dienste auf die Begleitung der Menschen abzielen. „So ist für mich die größte Herausforderung in meiner Zeit gewesen, zu verwirklichen, dass die Klient*innen des FRAUENHEIM sichtbar sind, von allen respektiert und geachtet werden und anerkannte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wetter sind.“ Für dieses Ziel hat die in Schwerte geborene Gesamteinrichtungsleiterin viel Zeit in das sozialraumorientierte und bundesweite Netzwerken investiert. „Daraus ist bis heute entstanden, dass die Wünsche, Ideen Forderungen der Menschen mit Behinderung in Wetter, im EN-Kreis, in Westfalen und auf Bundesebene gehört und – wenn möglich - berücksichtig werden“, blickt sie zurück.

Über mehr als drei Jahrzehnte waren ihr im Wandel der Zeit für das FRAUENHEIM WENGERN wichtig, Demokratie zu leben, der Gewalt an Frauen ein Ende zu setzen und für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen einzustehen. Klient*innen nehmen ihr Wahlrecht kommunal, landes-, bundes- und europaweit wahr. Sie bilden sich politisch weiter und beteiligen sich an der Umsetzung der UN-BRK. Die Frauenbeauftragung, die Frauengruppe „Mutig und Stark“, die Zusammenarbeit mit gesine Intervention, der Einstieg in Täterarbeit – all das sind Beispiele für das Ziel: Ein Leben in Würde, Respekt und Achtung für alle Menschen selbstbestimmt und angstfrei zu führen“, zählt Edelgard Spiegelberg ihre Umsetzungen in die Praxis der Einrichtungen auf.

Für eine ihrer größten Erfolge in ihrer Zeit sieht die Juristin die Aufrechterhaltung und ständige Erweiterung der Angebote der Einrichtungen und Dienste des FRAUENHEIM für Frauen. „Das war nicht immer einfach in den turbulenten zurückliegenden Zeiten! Aber wir bieten heute inklusive, exklusive und spezielle Dienstleistungen speziell für Frauen an!“ resümiert sie.

Ende Juni ist nun Schluss, der Ruhestand kommt nun endgültig. Auf die Frage, was sie sich von der Politik als Abschiedsgeschenk wünschen würde, sagt sie verschmitzt: „Ich wünsche mir von der Politik das Versprechen, das Grundgesetz der Bundesrepublik zu achten.“ Und damit dies auch wirklich in der gesamten Größe des Versprechens verstanden wird, fügt sie hinzu: „Und damit die Unantastbarkeit der Würde des Menschen zu wahren und die Gleichberechtigung der Menschen mit Behinderung voranzutreiben sowie die Rechte der Frauen zu stärken.