September 2017
Anfang des Jahres fragte die Einrichtung, Fondation Anne de Gaulle – vertcoeur, an, ob das Frauenheim Wengern im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft eine Partnerschaft mit ihr bzw. Freundschaften zu Bewohnerinnen eingehen möchten. Die Fondation Anne de Gaulle wurde von Ehepaar Yvonne und General Charles de Gaulle gegründet. Die Einrichtung vertcoeur liegt im Ort Milon la chapelle, in der Nähe von Versailles. Dort werden ausschließlich Frauen mit Behinderungen begleitet. Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums in diesem Jahr lud die Einrichtung Bewohnerinnen des Frauenheim Wengern und ihre Begleitung zu einer Freizeit ein. Einblicke in die Erlebnisse bieten Ausschnitte aus dem Reisetagebuch:
18. September 2017, Wengern, Belgien, Milon la chapelle
Mit nur 20 Minuten Verspätung – die Brötchen mussten noch belegt werden - fuhren wir aus Wengern um 07:20 Uhr ab.
Wir, das sind Detlev Weigmann, Muriel Martin, Margret Jadzinski, Manuela Fein, Jennifer Bohlen, Anne-Sophie Martin und Edelgard Spiegelberg.
Der erste Halt war in Frechen – zum Frühstücken. Danach ging es weiter zum „internationalen Treffen“ auf der E40, irgendwo bei Alleur. 10 km innerhalb von 2 Stunden – Stau- verhalfen uns zu der Bekanntschaft mit 24 Nationen (B; NL; IRL; CZ; LT; L; D; GB; I; F; RO; H; PL; LV; SK; S; BG; RUS; DK; TR; A; E; P; BY)
Danach ging es weiter von Baustelle zu Baustelle - rasend schnell, denn unsere Devise für diesen Tag lautete: „Lieber einspurig fahren als dreispurig stehen.“
Endlich – mit nur insgesamt 1 ½ Stunden Verspätung kamen wir an in Frankreich, in Milon la chapelle, im Landhaus „Fondation Anne de Gaulle – Vertcoeur“.
Es war ein großartiger Empfang. Wir lernten alle Bewohnerinnen und Mitarbeiterinnen auf einmal kennen, insbesondere: Nelly, Delphine, Lysanne, Phillipine, Camille, Marietta, Etienne, Emanuel, Monsieur le Direktor und 34 andere sehr nette, sehr gesprächige Frauen.
Es gab einen Aperitif mit Salzgebäck und ein spätes Nachtmahl. Danach wurden wir in unser Hotel gebracht. Nachdem unsere Zimmer gefunden wurden, waren wir überaus dankbar dafür, dass Detlev Weigmann in der neuen Außenstelle Schöntal der WfbM ein Schließsystem mit Knopfdruck kennengelernt und benutzt hatte. So hatten wir nicht nur ein Zimmer und einen Knopf, sondern auch jemanden, der uns das Zimmer mit dem Knopf öffnete.
19. September 2017, Paris
Als wir um 09:00 Uhr zu unserem ersten französischem Frühstück gingen, nieselte es. Es gab Baguettes, Schokocroissants, festen Kuchen, Joghurt, Obstsalat, Kompott, verschiedene Konfitüren und Nutella, starken Kaffee, heiße Milch und heißes Wasser. So konnte jede ihren individuellen Kaffee zubereiten.
Bei mehr oder minder heftigen Regenschauern fuhren wir nach Vertcoeur. Von dort aus wollten wir zusammen mit fünf Bewohnerinnen und drei Mitarbeiterinnen Paris besichtigen. Wir waren gespannt, ob das angekündigte Picknick auf dem Marsfeld im Schatten des Eifelturms stattfinden würde. Bei strahlendem Sonnenschein erreichten wir Paris und fanden 2 Parkplätze hintereinander direkt beim Marsfeld. Picknick-Kisten wurden ausgepackt und zu den schon trockenen Bänken getragen. Leckerer Kartoffelsalat, Kochschinken, Obst und Süßigkeiten schmecken im Schatten des Eifelturmes besonders gut. Durch die Sicherheitsschleusen hindurch gingen wir unter dem Eifelturm her und blickten in der Mitte stehend nach oben zur Spitze des Turmes. Auf der anderen Seite des Geländes stiegen wir in den Touristenbus, krabbelten nach oben auf die „Bus-Terrasse“. Von dort genossen wir die Sehenswürdigkeiten und die Staus. Danach fuhren wir Boot, um die Sehenswürdigkeiten auch von unten aus bewundern zu können. Total erschöpft schleppten wir uns zum Auto, fuhren zum Abendessen und dann sofort ins Hotel. Mit Rotwein und Cidre, ein Geschenk der Einrichtung, ließen wir den Tag entspannt ausklingen.
20. September 2017, Vertcoeur
Diesmal kamen wir zu spät. Bei dem bisherigen vollen Programm konnten wir nicht unserer Leidenschaft frönen: einzukaufen. Nach einigem Suchen trotz des tollen Navis unseres Fahrers fanden wir den super marcheé. Zur erholsamen Gestaltung des Abends kauften wir u.a. ein „uno“: der junge Mann – ausschließlich zur Beratung der Kundschaft eingestellt – erklärte uns mit wunderschön klingenden Worten und einer ganz klar zu deutenden Mimik, welches Kartenspiel er uns empfiehlt.
Die Möglichkeit der Nutzung der barrierefreien Toilette gestaltete sich dagegen nicht nur schwierig: Der Ort wurde uns schnell mitgeteilt, die Toilette war gut zu erreichen. Leider abgeschlossen. Eine freundliche Dame gab uns schnell und gerne den Schlüssel. Leider schloss er nicht auf. Die immer noch freundliche Dame teilte uns dann auch mit, dass hin und wieder Kunden die Toilette nicht aufschließen könnten. Wir gehörten wohl dazu.
In Vertcoeur wurden wir schon erwartet. Die Führung durch den verwunschenen mehrere Hektar großen Park begann sofort. Ziel waren die Bienenstöcke. Der Imker erklärte uns alles ausführlich, Anne-Sophie Martin übersetzte und wir nickten: Alles ist so wie bei Imker Müller mit seinen Bienenstöcken auf dem Kälberkamp des Frauenheim.
Beim sehr leckeren Mittagessen lernten wir Anne de Labuissière kennen, die Enkelin von Charles de Gaulle. Sie ist die Vizepräsidentin des Stiftungs-Aufsichtsrates. Unser Geschenk – der Jubiläumskalender – gefiel ihr sehr gut. Sie lud uns für 2019 wieder ein. Dann zeigte sie uns das Haus ihres Großvaters General de Gaulle.
Nachmittags nahmen wir an der Messe im Hause teil. Die Frauen halfen bei der Ausgabe des Abendmahles mit. Die Messe war in Französisch und Deutsch. Wir verpassten manchmal unsere Einsätze zum Vorlesen aus der deutschen Bibel. Einmal mussten wir ein Lied doppelt singen, weil der Gitarrist zu früh einsetze. Dem Priester machte das alles nichts aus. Ganz gelassen und freundlich leitete er die Messe, und sehr menschlich. Eine Bewohnerin klagte über Zahnschmerzen und rückte dem Messwein immer näher. Der Priester sagte: “Du hast doch gar keine mehr,“ und stellte den Messwein auf die andere Tischseite.
21. September 2017, Versailles
Wir fuhren die Avenue de Paris entlang, direkt auf das Schloss zu. Wir parkten wieder in vorderster Reihe. Den riesigen Schlosshof mit seinem Kopfsteinpflaster überquerten wir sehr vorsichtig. Wir gingen an der riesigen Schlange der Touristen vorbei, die um eine Eintrittskarte und wegen der Sicherheitskontrolle anstanden. „Drei Stunden Wartezeit.“, raunte uns jemand zu. Menschen mit Schwerbehinderung und ihre Begleitung (also wir alle) mit Schwerbehindertenausweis (also wie üblich nur Margret, Jenny, Anne-Sophie und Manuela) konnten kostenlos direkt durch die Sicherheitskontrolle gehen. Schon in Paris haben wir auch nette junge Männer mit Maschinenpistolen getroffen. In einer riesigen Menschenmenge gingen wir langsam von Zimmer zu Zimmer. Wir fanden am Schönsten die Gemälde von der polnische Königin irgendeines Ludwigs, vermutlich dem elften, und die Bilder der Lieselotte von der Pfalz. Beide Frauen lächeln sehr selbstbewusst und irgendwie verschmitzt – wie ein Lausbube. Die Besichtigung dauerte so lange, dass wir die Gärten nicht besichtigen konnten. Macht nichts. Die haben wir aus den Fenstern von oben schon gesehen. Alles war in Versailles riesig, aber nicht gemütlich. Für Britta, die wegen ihrer Krankheit nicht mitfahren konnte, haben wir im Schloss ein kleines Lavendel-Herz gekauft. Für Margret kauften wir als Muster ein größeres. Wenn sie in Rente ist, kann sie das Herz nachhäkeln, und wir können es mit Lavendel aus dem Garten füllen.
In Vertcoeur warteten schon alle mit dem Abendessen auf uns. Es gab Salat, überbackene Kartoffeln und unseren westfälischen Schinken. Den Schinken, Soester Pumpernickel und die Karte aus der Wiesen-Kirche mit dem Soester Abendmahl hatten wir als Geschenk mitgebracht.
22. September, Rückfahrt, Wengern
Marietta verabschiedete sich von uns in unserem Hotel. Sie schenkte uns noch französisches Hefegebäck für die Rückfahrt. Sie war die ganze Zeit immer für uns da und kümmerte sich um uns. Zu Weihnachten schreiben wir ihr eine Karte und schicken ihr selbstgemachte Weihnachtsplätzchen, die sie vielleicht an das Elsass erinnern. Mariettas Familie kommt aus dem Elsass.
Auf der Rückfahrt sahen wir abgeerntete Kartoffelfelder. Die Zuckerrübenernte hatte begonnen. Der Mais stand sehr gut: groß mit dicken Kolben. Bei uns sind die Kartoffeln noch in der Erde. Runkeln für die Kühe bauen wir schon lange nicht mehr an. Zuckerrüben für die Fabrik hatten wir noch nie. Der Mais unserer Nachbarn ist auch noch nicht geerntet worden.
Als wir in Wengern ankamen, hatten wir beschlossen, eine wunderschöne gemalte Karte nach Frankreich zu schicken, um uns zu bedanken. Wir haben liebe Menschen kennengelernt, die uns mit großer Gastfreundschaft empfangen und umsorgt haben. Nächstes Jahr besuchen sie uns. Wir fangen jetzt schon mit dem Planen an: Hotel ohne Stufen, Ausflug zum Rhein mit Besuch des Adenauer-Hauses, Muttental und viel miteinander spielen.