Predigt zum Sommerfest Wengern (August 2009)

„Gott segne dich und behüte dich, Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.“ 4. Mose 6

Liebe Sommerfest-Gemeinde,

haben Sie vielleicht geglaubt - oder ein bisschen gehofft - der Gottesdienst sei nun zu Ende? Die mehr als 3000 Jahre alten Worte aus dem 4. Buch Mose sind uns vertraut. Sie haben ganz Recht - als Schlusssegen in unseren Gottesdiensten. Wir sprechen diesen Segen, wenn wir Kinder taufen, wenn wir Paare trauen, wenn wir Verstorbene zu Grabe tragen; am Ende unserer Gottesdienste antwortet die Gemeinde auf den Zuspruch des Segens mit dem gesungenen dreifachen Amen.

In diesem Jahr ist der Segen aber auch der Monatsspruch für August. Heute am 30. dieses Monats, hier auf dem Hof im Kuhstall, haben wir Gelegenheit, ihn uns bewusst zusagen zu lassen, für uns zu bedenken und das Eine oder Andere neu zu entdecken.
Ich lese uns den Text aus der Bibel in gerechter Sprache mit den Versen, die den Segen ein- und ausleiten:

„Gott sprach zu Mose: Sprich zu Aaron und seinen Nachkommen: So sollt ihr Israel segnen, ihnen zusagen: Gott segne dich und behüte dich. Gottes Antlitz hülle dich in Licht, und sei dir zugeneigt. Gottes Antlitz wende sich dir zu, und schenke dir heilsame Ruhe.
So sollen sie Israel meinen Namen auflegen, und dann werde ich selbst sie segnen.“

Was immer an Segen möglich ist, darf von Gott erbeten werden. Was immer das Leben ausmacht, kann Gott segnen: Felder und Backtrog, Vieh, Gesundheit, Nahrung, Einkommen, Kinder; die Mütter, die Kinder erwarten oder stillen; die Menschen, die sich auf eine lange Reise machen; die Paare, die einen gemeinsamen Lebensweg wagen.

Gottes Antlitz hülle dich in Licht und sei dir zugeneigt. So wie Menschen sich einander zuwenden, sich aufmerksam, freundlich, liebevoll ansehen, wie der warme liebevolle Blick der Mutter auf das Kind; wie das Strahlen, das von ihrer beider Lächeln ausgeht, so soll Gottes Zuwendung erlebt werden. Sie soll sein wie Licht, das Menschen umhüllt. Antlitz ist ein feierliches Wort, ein Sonntags-Wort. Antlitz ist ein Wort, in dem Andacht und Respekt mitklingen.

Von Gottes Antlitz kommt Glanz und Licht. Gottes Schöpfung beginnt mit dem Licht: „Die Erde war Chaos und Wüste, Dunkelheit war da angesichts der Urflut; und Gott bewegte sich angesichts des Wassers und sprach: Es werde Licht - und Licht wurde.
Licht von Gott, das Chaos besiegt; Licht von Gott, das die Angst nimmt. Wenn Gottes Antlitz Menschen in Licht hüllt, werden Dunkelheiten überwunden. Dunkelheiten, die ängstigen, die quälen, die Menschen gefangen halten in Seelenfinsternis (Martin Buber).
In die Seelenfinsternis der Menschen gelangt das Licht Gottes - von Angesicht zu Angesicht. Gottes Antlitz hülle dich in Licht - einhüllen - das klingt nach Schutzhülle, nach Schultertuch, nach Kuscheldecke. Gottes Licht hüllt uns ein, schützt uns, gibt uns Halt, Licht, Orientierung und Trost.

Gottes Antlitz hülle dich in Licht und sei dir zugeneigt - welch eine Zusage, welch eine Vision. Wärme, Geborgenheit, Furchtlosigkeit - Menschen können sich aufrichten, sich entfalten, können selbst Licht werden. „Steh auf, werde Licht, denn dein Licht kommt und der Glanz Gottes strahlt über dir auf“ (Jesaja 60,1).

Gottes Antlitz wende sich dir zu, und er schenke dir heilsame Ruhe - die dritte Segensbitte bleibt beim menschlichen Bild Gottes; wiederholt, zweimal in den drei Segenworten wird das Angesicht, das Antlitz Gottes als den Menschen zugewandt, den Menschen gegenüber beschrieben. Die heilsame Ruhe entfaltet das Wort vom Frieden als Schalom.

Heilsame Ruhe: Unbesorgt sein; dem eigenen Leben, den eigenen Gefühlen vertrauen dürfen; getröstet und getrost sein können; Gottes Möglichkeiten vertrauen, ihnen etwas zutrauen; sich in Gott eingebettet wissen - heilsame Ruhe. Menschen, Völker sind heil; geheilt von Krieg, Hunger, Abschreckung. Nicht Waffenstillstand, heilsame Ruhe im Antlitz Gottes wird zugesagt; nicht beruhigte, ruhig gestellte, in ihr Schicksal still ergebene Menschen sind das Gegenüber Gottes. Aus heilsamer Ruhe schöpfen Menschen Kraft und Mut. In heilsamer Ruhe können Menschen sich anderen zuwenden. Schalom, heilsame Ruhe umfasst alles, was Menschen brauchen, um gut und ohne Not zu leben: Gesundheit und Sicherheit; Nahrung und wertschätzende Zuwendung; Schalom, heilsame Ruhe meint ein Leben, in dem alle zu ihrem Recht kommen, wo keine Trauer, kein Wehgeschrei und keine Tränen die Menschen erstarren lassen und gefangen halten. Segen, Licht von Gott, Schalom, heilsame Ruhe sind Gottes Antwort auf die Klagen und Bitten derer, die um ihr Recht und um ihr Leben fürchteten.

„Gott segne dich und behüte dich, Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.“

Segnen, segnen, nichts als segnen, bis eins das andere mit in den Himmel bringt - so heißt es in einem jüdischen Hochzeitssegen.

Segnen, segnen, nichts als segnen ist die Aufgabe und die Herausforderung für die christliche Gemeinschaft, für Christinnen und Christen. Den Segen Gottes haben wir nie zur Verfügung, Segen wirkt nicht wie der Zauberstab in der Hand Harry Potters.
Es geht immer darum, im Namen und im Auftrag Gottes zu segnen, um göttliches Segenswirken zu bitten, Gott um seinen Schutz, um sein Licht, um seine Gegenwart im Leben der Menschen zu bitten. Und es geht immer auch darum, dem Anderen, dem Menschen neben mir, den Segen zu gönnen.

Wer anderen den Segen gönnt, sorgt für eine gerechte Verteilung der Segensgüter, die Gott in Fülle bereitstellt. Wer anderen den Segen gönnt, zieht sie in das Licht des Antlitzes Gottes. Ja, das ist wohl die Aufgabe der Christinnen und Christen: Segnen, segnen, nichts als segnen - in unserem Umgang miteinander, in unserem diakonischen und politischen Handeln, in unserem Alltag und in unseren Gottesdiensten; immer dann, wenn wir Menschen ansehen und in ihren Gesichtern den würdevollen Glanz Gottes widergespiegelt finden. Und das alles in dem Wissen, dass Gott die Freiheit hat, Segen zu gewähren oder zu verweigern. Keine menschlichen Segenswünsche bewirken oder verhindern göttliches Segnen. Wenn es gut geht, kann er durch unsere Hände fließen, durch unsere Worte an ihr Ziel kommen - verfügbar wird er nicht, denn:

„Gott sprach zu Mose: Sprich zu Aaron und seinen Nachkommen: So sollt ihr Israel segnen, ihnen zusagen: Gott segne dich und behüte dich. Gottes Antlitz hülle dich in Licht, und sei dir zugeneigt. Gottes Antlitz wende sich dir zu, und schenke dir heilsame Ruhe.
So sollen sie Israel meinen Namen auflegen, und dann werde ich selbst sie segnen.“

Gott segne unsere Felder und unsere Ernten;
Gott segne unsere Ställe und das Vieh;
Gott segne uns - jede und jeden;
Gott segne unsere Gemeinschaft an diesem Festsonntag.

Gott lasse den Segen durch unsere Hände fließen und von unseren Gesichtern strahlen.
Gott segne uns.

Amen

Angelika Weigt-Blätgen

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